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4. "Andacht im Turm" für Zuhause - 19.04.2020

Wie? Eine Andacht zur Fastenzeit? Aber wir haben doch schon Ostern gefeiert? Ja, aber dieses Jahr ist alles anders! Und so ist aus den "Sieben Wochen ohne" der Evangelischen Kirche Deutschland kurzerhand ein "Sieben und mehr Wochen Zuversicht" geworden. Sieben und mehr Wochen, denn keiner weiß genau, wie lange sich das alles noch hinziehen mag. Und das "ohne" ist auch weggefallen, denn "ohne" haben wir auch so schon genug: ohne Familie, ohne Freunde, ohne Schule, vielleicht sogar ohne Abschied. Und trotz allem konnten wir in diesem Jahr Ostern feiern. Es war so viel anders als sonst, aber es war so unglaublich kreativ. Es gab so viele tolle Ideen, wie die Osterfreude anders erlebt werden konnte. Ostern wurde nicht vom Virus befallen, sondern hat sich einen Weg gebahnt in unser Leben, mitten in die Krise. Auch wenn es sich anfühlt, als wollte die Fastenzeit in diesem Jahr nicht enden, so sind wir zuversichtlich. Wir wissen, Ostern ist da!

HIER gibt es die Andacht zum downloaden als pdf

Von besseren Zeiten lässt sich immer träumen, auch das macht Zuversicht aus. So wird es auch in der Bibel schon geschrieben:

Wir werden sein wie die Träumenden

•    Bibeltext

Ein Wallfahrtslied. Psalm 126 KLICK Psalm zum Hören

Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Völkern: Der HERR hat Großes an ihnen getan! Der HERR hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich. HERR, bringe zurück unsre Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen guten Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

Psalm 126

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

gesegnete und frohe Ostern! Die 40 Tage Fastenzeit sind vorbei, die 50 Tage Osterzeit sind da. Bis Pfingsten ist die liturgische Farbe nicht mehr violett, sondern weiß wie das Licht des Ostermorgens. Im Kirchenjahr hat sich alles komplett verändert. Die Leidenszeit ist vorbei, die Freudenzeit hat begonnen. Wie schön wäre es doch, wenn wir das unbeschwert feiern könnten! Aber noch geht unser Fasten weiter, noch hat das Leiden kein Ende. Je länger wir bangen müssen, was die Corona-Krise noch an Unglück bringt, desto schwerer wird es, zuversichtlich zu bleiben.

Eine Möglichkeit, Zuversicht zu bewahren, ist es, sich an gute Zeiten und Ereignisse zu erinnern. Das ist der Weg, den viele Psalmen in der Bibel immer wieder nutzen. Gerade die Psalmen, die in Unglückszeiten entstanden sind, erzählen immer wieder von den Begebenheiten, in denen Gott half. So erinnern die Betenden sich selbst und Gott daran, wie gut die Rettung tut.

Ich habe darum für uns in dieser Woche einen besonderen Psalm ausgesucht, der in der Erinnerung an die Rettung durch Gott schwelgt. Allerdings schwelgt er in der Übersetzung Martin Luthers eher in der Aussicht auf die Rettung. Psalm 126 ist bei Luther zukünftig formuliert. Der Grund dafür ist eine Schwierigkeit im hebräischen Original. Der Beginn lautet: „Beschuw adonaj ät-schiwat Zijon hajjinu kecholamim.“ Normalerweise gibt in einem hebräischen Text immer das erste Verb vor, in welcher Zeit der Text spielt. Hier aber fängt der Satz mit einem Infinitiv an, der keine zeitliche Bestimmung hat. Das Geschehen, von dem erzählt wird, die Erlösung der Gefangenen findet also weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart oder der Zukunft statt. Es ist mehr wie ein allgemeingültiger Satz: Wenn Erlösung durch Gott geschieht, dann sind wir wie Träumende.

Das erste Verb, das tatsächlich einen erkennbaren zeitlichen Bezug hat, ist „hajjinu“. Stünde es allein, müsste man es mit „wir waren“ übersetzen. Darum lautet auch die Wiedergabe des ersten Verses in den meisten anderen Übersetzungen ähnlich, wie es die Zürcher Bibel schreibt: „Als der HERR wandte Zions Geschick, waren wir wie Träumende.“ Man kann heute kaum sagen, welche Übersetzung richtig ist. Man muss aus dem Zusammenhang argumentieren, um sagen zu können, der Psalm blicke in die Vergangenheit oder in die Zukunft.

Ich schreibe Ihnen dieses Detail so ausführlich, weil ich davon fasziniert bin, wie Vergangenheit und Zukunft durch diese sprachliche Besonderheit miteinander verschmelzen. Es ist, als ob der Mensch, der diesen Psalm zuerst gebetet hat, sagen wollte: Erinnert euch daran, wie Gott sein Volk nach 70 Jahren Exil nach Hause geführt hat. Wie Träumende waren wir, und so wird es wieder sein, weil Gottes Hilfe immer gilt. Gott wird Großes an uns tun, weil und wie er an uns Großes getan hat. Erinnert euch, und ihr werdet erleben, wie es sein wird, wenn es wieder geschieht: lachende Münder, rühmende Zungen!

Die Gegenwart kommt auch vor, in Psalm 126. Der letzte Vers ist in der Gegenwart formuliert, bei Luther und auch bei den anderen Übersetzungen: „Sie gehen hin und weinen und tragen guten Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.“ Das beides geschieht jetzt: Trauer und Freude, Säen und Ernten. Davor und danach – und irgendwie die ganze Zeit über – steht Gottes Rettung. Man muss sich an die Rettung erinnern, damit sie nicht nur gegenwärtig wird, sondern auch zukünftig.

Darum lautet meine erste nachösterliche Wochenaufgabe für Sie so: Erinnern Sie sich an Zeiten, in denen etwas Schlimmes vorbei war! Wie erging es Ihnen da? Wie spürten Sie Ihre Fröhlichkeit? Was haben Sie getan? Erlauben Sie sich das Schwelgen in diesen Erinnerungen und seien Sie Träumende! Saugen Sie Ihre Zuversicht aus diesen Erinnerungen. Und, wenn Sie mögen, lernen Sie den ersten Satz von Psalm 126 auf Hebräisch auswendig. Sprechen Sie ihn laut. Er klingt schön.

Ich wünsche Ihnen Osterfreude. Bleiben Sie gesegnet!

Ihr Frank Muchlinsky

•    Gebet

Es gibt Tage, an denen fühle ich mich wie neugeboren.

Licht und Farbe sind wieder da.

Ich sauge das Leben in mich auf wie die neugeborenen Kinder die Muttermilch.

Gott, du lässt mich aufleben.

Stärke mich.

Lass mein Vertrauen ins Leben wachsen.    Amen

 

 

•    Popsong (KLICK) "Machen wir das Beste draus" von Silbermond

Seh' vor meinem Fenster

Den März durch Geisterstraßen ziehen

Was soll man machen?

Der Frühling muss halt ohne uns blühen

Und ich denk' grad an letztes Jahr

Du und ich auf der Bank im Park

Bier kalt, dein Kuss war warm

 

Auch wenn um uns grade alles wackelt

Und es Abstand braucht

Rücken wir die Herzen eng zusammen

Machen wir das Beste draus

 

Ein Danke an alle

Die grad schuften gegen den Tod

Und ich vermiss' meine Freunde

Schick' euch all meine Liebe durchs Telefon

 

Auch wenn um uns grade alles wackelt

Und es Abstand braucht

Rücken wir die Herzen eng zusammen

Machen wir das Beste draus

 

Auch wenn die Zeit uns grad fordert (mh-mh)

Gibt es Hoffnung noch

Dass der Tag kommt, an dem all das vorbei ist

Und die Welt macht wieder auf (oh yeah)

 

Und wir sehen uns alle wieder

Oh-oh-oh, oh-oh-oh

Und wir sehen uns alle wieder

Oh-oh-oh, oh-oh-oh

 

Auch wenn um uns grade alles wackelt

Und die Welt schnauft

Rücken wir die Herzen eng zusammen

Machen wir das Beste draus

 

Auch wenn um uns grade alles wackelt

Und es Abstand braucht (yeah)

Rücken wir die Herzen eng zusammen (yeah-eah)

Machen wir das Beste draus

Machen wir das Beste draus

 

•    Lesung aus Johannes 20, 19-21; 24-29 (Übersetzung: Gute Nachricht)

Es war Abend geworden an jenem Sonntag. Die Jünger waren beisammen und hatten aus Angst vor den führenden Juden die Türen abgeschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: »Frieden sei mit euch!« Dann zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Als die Jünger den Herrn sahen, kam große Freude über sie. Noch einmal sagte Jesus zu ihnen: »Frieden sei mit euch! Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich nun euch.«

Als Jesus kam, war Thomas, einer aus dem Kreis der Zwölf, nicht dabei gewesen. Die anderen Jünger erzählten ihm: »Wir haben den Herrn gesehen!« Thomas sagte zu ihnen: »Niemals werde ich das glauben! Da müsste ich erst die Spuren von den Nägeln an seinen Händen sehen und sie mit meinem Finger fühlen und meine Hand in seine Seitenwunde legen – sonst nicht! « Eine Woche später waren die Jünger wieder im Haus versammelt und Thomas war bei ihnen. Die Türen waren abgeschlossen. Jesus kam, trat in ihre Mitte und sagte: »Friede sei mit euch!« Dann wandte er sich an Thomas und sagte: »Leg deinen Finger hierher und sieh dir meine Hände an! Streck deine Hand aus und lege sie in meine Seitenwunde! Hör auf zu zweifeln und glaube!« Da antwortete Thomas: »Mein Herr und mein Gott!« Jesus sagte zu ihm: »Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Selig sind alle, die mich nicht sehen und trotzdem glauben!«

Liebe Gemeinde,

Es waren schwere Tage. Die belebten Straßen leer, die Menschen zurückgezogen in ihren Häusern. Kein Besuch bei Freunden. Es ist zu gefährlich da draußen, heißt es. Angst, vor dem, was man nicht sehen kann. Nicht wissen, wie es weitergeht. Festhängen in Ungewissheit. Als es an die Tür pocht, da wollen sie erst nicht aufmachen. Sie sind skeptisch. Es pocht wieder. Maria Magdalena und zwei andere Frauen stehen da. Sie waren am Grab, das ist leer, sagen sie, und dann sei ihnen Jesus begegnet. Die Jünger bleiben skeptisch. Was soll das heißen? Geschwätz der Frauen sagen einige. Tür zu. Sie bleiben, wo sie waren. Sie bleiben im Karfreitag, in der Trauer und Ungewissheit hängen. Sie können es nicht glauben. Es ist ja auch unglaublich. Es wäre zu schön, wenn dieser Albtraum plötzlich vorbei wäre. Wenn sie nun einfach wieder nach draußen könnten, sich ohne Angst wieder versammeln könnten. Es müsste ein Wunder geschehen. Es müsste … Und plötzlich geschieht es. Jesus steht in ihrer Mitte. Sie erkennen ihn, zweifelfrei. Nach und nach erwachen die Jünger aus ihrer Schockstarre. Jesus redet mit ihnen und gibt ihnen gleich einen Auftrag. Dann ist er wieder weg.

Die Jünger werden eine Weile gebraucht haben um zu verstehen, was sie da gesehen hatten. War das ein Geist? Nur eine Erscheinung? Nein, er war es wirklich. Er sprach zu ihnen und aß auch vor ihren Augen etwas Fisch. Wieder und wieder erzählten sie sich gegenseitig, was sie gesehen hatten. Und dann kommt Thomas dazu. Sie sprudeln gleich los: „Stell Dir vor, Jesus war hier!“ „Wirklich, er hat zu uns geredet!“ „Wir haben ihn alle gesehen, er lebt!“ Die Jünger sind befreit, sie haben wieder Hoffnung, für sie ist Ostern. Aber Thomas kann es nicht glauben. Er hängt noch im Karfreitag fest. Und er beharrt darauf, dass er selbst sehen will, mit eigenen Augen. Wie nachvollziehbar. Er will keinem Gerücht aufsitzen, keinen Fake News glauben.

Thomas bekommt seinen Wunsch erfüllt: Eine Woche später kommt Jesus wieder. Thomas sieht und glaubt. Nun ist auch für ihn Ostern, der dunkle Bann ist gebrochen. Wie schön wäre es, wenn das auch für uns so schlagartig geschehen könnte. Wenn die Bedrohung schnell und wundersam vorbei wäre. Ein bisschen fühlen wir uns - auch nach Ostern - noch in diesem Dazwischen. Nicht mehr Karfreitag, aber auch noch nicht wirklich befreit. So wie der zweifelnde Thomas. Ganz allmählich werden die strengen Regeln demnächst gelockert werden, aber so schnell und plötzlich wird die Bedrohung durch das Corona-Virus nicht vorbei sein.

Selig sind alle, die nicht sehen und doch glauben. Das ist der Satz, den Jesus nicht nur zum zweifelnden Thomas sagt, sondern zu uns. Das bedeutet, heute schon das Morgen sehen, das es noch nicht gibt. Von dem sich aber eine vage Spur abzeichnet. Mir überlegen, was ich aus dieser Krise Gutes mitnehmen kann. Und was ich Gutes sehen kann. Da sind Menschen, die befreit sind von der Last ewig vieler Termine. Freunde, die plötzlich Zeit haben und anrufen. Die Erde, die aufatmet. Der Himmel, der einfach wieder blau ist. Hoffnung heißt, im Heute schon auf die Musik von morgen zu tanzen. Die Jünger haben eine Hoffnung, die über all das hinausgeht, was wir zu denken vermögen. Der Silberstreif am Horizont ist zu sehen. Es ist anders als sonst  - aber es ist auch in diesem Jahr Ostern geworden.

Bleiben Sie behütet und gesund.

Ihre Pfarrer Alrun Kopelke & Joachim Sylla

 

•    Kleines Gebet mit großer Wirkung

Ich stehe vor dir, Gott.

Ich spüre den Grund unter meinen Füßen.

Ich spüre, dass ich getragen bin.

Ich öffne mich deiner Gegenwart. (Arme und Hände öffnen)

 

 

Ich bitte dich: (Hände aufs Herz legen)

 

Wende dich zu mir.

Stärke mich.

Leite und begleite mich an diesem Tag.

Verbinde mich mit denen, die mir am Herz liegen. (Arme ausbreiten)

 

Ich nenne dir ihre Namen:         (Zeit um Namen, evtl. auch Orte zu nennen)

 

Segne uns mit der Kraft des Himmels auf dieser Erde. (Die ausgebreiteten Arme über dem Kopf zusammenführen, so dass sich die Handflächen berühren, vor dem Oberkörper bis auf Brusthöhe sinken lassen und mit einer Verbeugung abschließen) 

 

Amen.

Wir haben beim „Zentrum Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“ dieses Körpergebet gefunden. Geschrieben hat es Dorothea Hillingshäuser, Referentin für Geistliches Leben beim Zentrum Verkündigung. Lesen Sie es sich mehrmals durch, bis Sie die Bewegungen frei mitmachen können.

 

Lied     (EG 317) KLICK Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren       

1. Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren,

meine geliebete Seele, das ist mein Begehren.

Kommet zuhauf, Psalter und Harfe, wacht auf,

lasset den Lobgesang hören!

2. Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret,

der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet,

der dich erhält, wie es dir selber gefällt;

hast du nicht dieses verspüret?

3. Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet,

der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet.

In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott

über dir Flügel gebreitet!

4. Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet,

der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet.

Denke daran, was der Allmächtige kann,

der dir mit Liebe begegnet.

5. Lobe den Herren, was in mir ist, lobe den Namen.

Alles, was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen.

Er ist dein Licht, Seele, vergiss es ja nicht.

Lobende, schließe mit Amen!

 

Du bist systemrelevant!

Bildmeditation in Zeiten des Coronavirus

Bezug: Lied „Lobe den Herren“

Ein Hygienehandschuh. Eine Segensgeste. Solche Handschuhe werden genutzt von Pflegern und Ärztinnen. Ich sehe sie oft in diesen Tagen auch beim Einkaufen an der Kasse, im Bus, auf der Straße. Ja, es ist ein Segen, dass es solche Hilfsmittel gibt.

Vor allem ist es ein Segen, dass es Pflegekräfte gibt, Ärzte und Kranken-häuser. Zurzeit macht das Wort von den „systemrelevanten Berufen“ die Runde. Dazu zählen die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, aber auch das Verkaufspersonal in Supermärkten und alle, die unsere Infrastruktur aufrecht-erhalten mit Stromversorgung, Abfallbeseitigung, öffentlicher Ordnung und so weiter. Es ist ein Segen, dass es sie gibt. Sie und viele andere, ohne die wir im Dreck versinken, Hunger leiden oder um unsere Sicherheit Angst haben müssten. Ein Segen sind diese Berufsstände. „Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet!“ heißt es dazu passend in einem beliebten Kirchenlied (EG 317,4).

Diese Liedzeile lässt mich aber nicht nur an die offensichtlichen Berufe denken, oder überhaupt an Menschen mit Beruf. Wenn über systemrelevante Berufe gesprochen wird, kann nämlich der Eindruck entstehen, alle anderen seien verzichtbar. Doch das stimmt nicht. Unser System, das Zusammenspiel aller Kräfte in unserer Gesellschaft, lebt nicht allein vom Broterwerb und nicht allein von dem, was uns am Leben hält. Leben ist mehr. Sinnvolles Leben ist mehr als Überleben. Das, was uns Sinn gibt, schenkt der ganzen Gesellschaft Zukunft. Manche, die am sozialen Rand stehen, fühlen sich vielleicht nutzlos. Doch auch auf sie kommt es im Ganzen an. Zum Beispiel lernen wir von den Hilflosen die Hilfsbereitschaft zu üben, die jede Gesellschaft braucht. Denn sonst würden wir sehr schnell am Egoismus zugrunde gehen, wenn nur die Stärksten zählten.

Systemrelevant sind auch diese:

•    Die demenzkranke Mutter, der Nachbar nach seinem Schlaganfall, das Kind im Rollstuhl. Sie bekommen so viel Liebe von ihrer Familie. Sie stärken unser Lieben-Können. Das strahlt aus wie eine ansteckende Gesundheit.

•    Die Reinigungsfachleute, die „Entsorger“, die unseren Dreck anfassen ohne Scheu, damit wir keine Sorgen damit haben.

•    Kinder, die spielen, lachen, neue Rollen erproben: Sie schenken uns Zukunft.

•    Obdachlose mit ihrem Sammelbecher vor der Bäckerei: Sie machen mir klar, dass kleine Verzichte niemandem wehtun, aber viel bewirken können.

•    Die streitsüchtige Nachbarin, die mich Nachsicht und Geduld üben lässt. Sie erinnert mich daran, dass Nächstenliebe und Feindesliebe dasselbe sind.

•    Die Erntehelfer und –helferinnen aus Polen, ohne die wir dieses Jahr keinen Spargel und keine Erdbeeren kriegen.

•    Die Spaßmacherinnen, die Clowns und alle, die ihre Corona-Witze im Netz verbreiten. Sie trotzen dem Zwang und der Angst.

•    Die Künstlerinnen, Schauspieler, Tänzerinnen, Maler und Bildhauerinnen: Sie sind wie das Salz in der Suppe. Ohne sie wird das Leben fad und ausdruckslos.

•    Die religiösen Gemeinschaften in den Kirchen, Moscheen, Meditationshäusern und Synagogen: Sie weiten den Horizont jenseits von Konsum, Klopapier und Hygienesprays.

•    Die polnische Blumenhändlerin, der griechische Änderungsschneider und der pakistanische Gemüsehändler. Sie sind ein Vorbild für Fleiß und Mut. Denn sie haben sich aus fast nichts eine Existenz aufgebaut, von der alle profitieren.

•    Der Elektroladen, der mein Smartphone repariert, damit ich in Kontakt bleibe mit denen, die mir lieb sind.

•    Die Schuhverkäuferin, die mich freundlich empfängt, wenn ich zum vierten Mal dieselben Schuhe anprobiere, ohne sie zu kaufen. Sie beweist mir, dass Kunden nicht nur wandelnde Portemonnaies sind.

•    Alle kleinen Angestellten, die  sich jedes Jahr den Urlaub vom Munde absparen. Sie sind die Durchhalterinnen und Durchhalter, auf denen unser System steht.

•    Die Erzieherinnen, die den Kindern mit Geduld und Erfahrung als Beispiel vorangehen, um sich im Laufe des Lebens von ihnen überholen zu lassen.

•    Die Lehrer, die kritisches Denken fördern, damit wir auch in Zukunft frei leben können, und die ihr Fach lieben, um Neugier und die Liebe zum Lernen zu wecken.

•    Die alte Nachbarin, die mit sechshundert Euro im Monat auskommen muss und sich nie beklagt. Sie stand mir mit gutem Rat bei, als die Scheidung mein Leben durcheinander warf. Wie kostbar waren diese Gespräche!

•    Das Personal im Fitnesscenter, die freiberuflichen Trainer, die Yogalehrerin: Sie machen andere äußerlich beweglich und innerlich ausgeglichen.

•    Die Jugendlichen, die zu Hause büffeln und sich per Internet gegenseitig helfen. Sie sind die Teamworker der Zukunft.

Sie alle sind systemrelevant. Sie und viele mehr. Du bist systemrelevant. Denn Gott hat „deinen Stand sichtbar gesegnet“: deinen Platz in der Gesellschaft, in deiner Familie und deinem Umfeld. Hier bist du im Laufe deines Lebens angekommen. Ist dieser Platz nur ein Zwischenhalt oder bleibst du länger hier? Vielleicht für den Rest deines Lebens. Wer weiß? Das weiß Gott allein. Was hat dich hierher gebracht? Nicht immer das, was du wolltest oder gemacht hast. Viele andere Menschen haben dazu beigetragen. Vielleicht zu deinem Glück, vielleicht gegen deinen Willen. Doch hier bist du nun. Ein Kind des Systems. Und mehr als das: ein Kind Gottes. Hat Gott dich hierhin gestellt, damit du dich weiter entwickelst? Vielleicht, um dir eine Chance zu geben, dich zu bewähren und stark zu werden. Oder vielleicht, um dich zu bremsen, bevor du in eine falsche Richtung gehst. Vielleicht mit Bedauern, vielleicht mit großer Hoffnung… Das weiß Gott allein.

Doch das Lied behauptet mutig: Dieser Stand ist gesegnet. Sichtbar gesegnet. Du bist gesegnet. Du wirst gesehen. Du wirst gebraucht. Du hast alles, was es braucht, um anderen gut zu tun. Selbst wenn du nichts tun kannst, was Geld bringt, Ansehen oder Erfolg. Selbst wenn du zweifelst, ob dein Beruf und deine täglichen Mühen als systemrelevant gelten. Da ist noch viel mehr – Gott sieht es. Andere sehen es auch. Die, welche mit Gottes Augen sehen. Die auch das Verborgene sehen. Lobe die göttliche Kraft, die in dir ist, dich ins Leben stellt, mit anderen und für andere. Du bist ein Segen.

Text: © Zentrum Verkündigung der EKHN. Bild: Markus Zink, Handschuhsegen, 2020 © Zentrum Verkündigung der EKHN.

 

•    Segen

Der Herr hat versprochen: "Ich bin bei Euch alle Tage!"

In dieser Zuversicht dürft ihr hingehen. Er wird bei euch sein, auf allen euren Wegen. Er schenke euch, was ihr braucht:

Ohren, die hören, was den anderen bewegt, und ein Herz, das sich bewegen lässt. Augen, die sehen, wie es um den anderen steht, einen Mund, der die rechten Worte findet, Worte, die heilen und Frieden stiften.

Er stärke eure Füße auf den Wegen, die ihr miteinander geht durch die Tiefen und Höhen. Sein Friede bewahre eure Herzen, die Gefühle und Gedanken. Er behüte euch an euren guten Tagen und in euren Nächten.

 

Amen


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